Wie geht es Studierenden in der Corona-Pandemie in Australien

28.04.2020

Wie geht es Studierenden in der Corona-Pandemie vor Ort in Australien?

Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, welche Auswirkungen Corona weltweit haben wird? Vieles hat sich verändert, dazu zählt auch der Alltag für unsere Studierenden am anderen Ende der Welt. Damit hatten die GOstralia! Studierenden Katharina, Sina & Sarah, Jessica, Sandra und Philipp sicher nicht gerechnet, als sie sich im Februar Richtung Australien aufmachten, um dort ihr Studium zu starten. Doch wie studiert es sich zu Zeiten von COVID-19? Welchen Support bieten die Unis und was sind die Lichtblicke in dieser Situation? Fünf Studierende geben Einblicke in ihren Studienalltag.

  • Sandra von der TH Ostwestfalen-Lippe studiert für ein Semester an der University of Newcastle in New South Wales.
  • Katharina ist unsere Social Media Botschafterin des laufenden Semesters. Sie studiert den Master of Biological Science an der University of Western Australia in Perth.
  • Die Schwestern Sina & Sarah aus Kiel haben im Februar ihr Auslandssemester an der UTS in Sydney gestartet und studieren dort vier Kurse im Bereich Business.
  • Jessica macht ein Auslandssemester in Perth und belegt aktuell drei Kurse im Bereich Engineering an der Edith Cowan University.
  • Philipp studiert Jura und hat im Februar nach seinen deutschen Staatsexamen den Master of Laws an der University of Queensland gestartet.
     

Wie gehen die Australier mit COVID-19 um?

Sandra: „Also ich befinde mich in Tuggerah am Ourimbah Campus der University of Newcastle. Erst war mein Eindruck, dass die Australier deutlich langsamer und gechillter reagieren als die Deutschen, das hat sich dann aber schnell geändert. Als die Fallzahlen hier gestiegen sind, haben hier plötzlich auch alle ganz schnell reagiert. Erst war die Uni noch geöffnet, dann gingen die meisten Kurse online, dann wurde mein Labor Praktikum beendet und jetzt ist wirklich alles online. Trotzdem hat man immer noch die Möglichkeit, in der Bibliothek der Uni zu lernen. Das soll den Studierenden helfen, die kein oder sehr schlechtes Internet daheim haben und nicht so gute Lernmöglichkeiten.“

Philipp: „In erster Linie nehmen die Australier es Ernst und halten sich an social-distancing, was bedeutet, dass weniger Menschen auf den Straßen und im öffentlichen Nahverkehr anzutreffen sind. Gleichwohl bleiben sie weiterhin sehr offen, freundlich und hilfsbereit.“

Katharina: „Ich denke, die Situation hier in Australien ist ähnlich wie die in Deutschland. Covid-19 ist Gesprächsthema Nummer 1. Klopapier und Konservendosen sind das kostbarste Gut und manchmal entstehen sogar Streitereien in den Supermärkten, wer die letzte Packung Reis bekommt. Die Straßen sind seit einigen Wochen wie leergefegt. Restaurants und Café haben geschlossen oder bieten nur take-away an. Man darf nicht mit mehr als zwei Leuten unterwegs sein und das auch nur, wenn es wirklich notwendig ist. Trotzdem versucht der Großteil der Menschen, die Hoffnung nicht zu verlieren und gegenseitig füreinander da zu sein.“

Jessica: „Die meisten Australier gehen sorgsam aber gelassen mit dem Thema um und achten auf nötigen Mindestabstand. Das Leben spielt sich in Australien grundsätzlich draußen ab und so bemerkt man auch jetzt, dass viele spazieren gehen oder die Zeit in ihren Gärten verbringen. Aktuell gibt es eine tolle Aktion bzw. Aufruf für Familien mit Kindern. Bei dieser Aktion soll das eher langweilige Spazieren für Kids schöner gestaltet werden, indem jedes Kind Kuscheltiere in die Fensterscheiben setzt. An jeder Haustür in unserem Ort sitzen nun süße Tierchen mit Zetteln, die selbst für uns Erwachsene eine schöne Sache sind.“


Wie gestaltet sich dein Alltag mit Corona?

Sandra: „Mein Alltag sieht derzeit so aus, dass ich viele Hausarbeiten zu erledigen habe und mir eine Art Home Office zusammen mit meiner Mitbewohnerin eingerichtet habe. Wir haben hier das Glück, in einem sehr großen Haus zu wohnen mit viel Freiraum. Ich lebe hier mit australischen Gasteltern und zwei australischen Mitbewohnerinnen, die an derselben Uni studieren. Und dem Hund Coco und der Katze Lilly und ab und zu kommt das Enkelkind noch vorbei. Abends essen wir immer gemeinsam Dinner und es fühlt sich an wie ein Familienleben, was wirklich sehr schön ist :)! Also tagsüber lerne ich viel, mit einigen Pausen für Brettspiele und Puzzles und abends genieße ich dann die Freizeit.“

Katharina: „Seitdem die „Lock-down“-Regelung verkündet wurde bleibe ich größtenteils zu Hause und versuche meine Zeit nützlich zu verbringen. Ich beschäftige mich viel mit der Uni, aber irgendwann braucht man mal eine Pause. Um abzuschalten gehe ich meinen Yoga-Übungen nach oder tanze Zumba im Garten. Zum Glück kann mich da niemand beobachten. Gestern habe ich mir Acryl-Farbe und ein paar kleine Leinwände geholt. Mal sehen, ob ich ein paar Kunstwerke zustande bekomme. Mit meinen Freunden „treffe“ ich mich ab und zu online zu einem Gläschen Wein oder Bier. Das kann auch echt lustig werden.“


Wie laufen die Veranstaltungen der Uni ab?

Sina & Sarah: „An der Macquarie University legen die Dozenten viel Wert auf Beteiligung am Unterricht, weshalb wir uns anfangs nicht vorstellen konnten, dass die Kurse weiterhin so effizient angeboten werden können, wie sie es auf dem Campus möglich war. Jedoch hat die Universität unserer Meinung nach, einen hervorragenden Job geleistet und innerhalb von zwei Wochen alle Kurse an die Situation angepasst und dies super mit den Studenten kommuniziert. Workshops und Tutorials werden über Zoom abgehalten und die Tutoren geben sich sehr viel Mühe, uns bei dem Online-Lernen zu unterstützen.“

Katharina: „Vorlesungen werden online gestellt und können zu beliebiger Zeit angeschaut werden. Seminare laufen über Videokonferenzen via „Zoom“ oder „Blackboard Collaborate Ultra“ ab. Um den Wissensstand zu prüfen, werden Online-tests und -quizzes angesetzt. Ich hätte ein Modul gehabt, bei dem wir eine 1-wöchige Exkursion nach Albany gemacht hätten. Dieser wurde jetzt abgesagt. Stattdessen wird eine 3-tägige virtuelle „Exkursion“ stattfinden. Wie genau das aussehen soll weiß ich noch nicht, aber ich werde euch einen Einblick geben.“

Philipp: „Grundsätzlich spielt sich der gesamte Unialltag online ab. Bei einigen Vorlesungen gibt es Powerpoints, wobei jede Slide mit einem Audiotext des Dozenten verbunden wird. Andere Vorlesungen sind „live“ via zoom und im Anschluss gibt es den Foliensatz. Zur Vorbereitung wird Literatur benannt, die man sich selbst online durchlesen kann.“

Sandra: „Der Unialltag hat sich insofern verändert, dass ich eben theoretisch an keinem Tag der Woche mehr das Haus verlassen muss. Die Vorlesungen sind meistens Live mit Zoom oder Collaborate. Es wird aber auch alles aufgenommen und viel per Email oder Blackboard kommuniziert. Da die Uni vorher bereits sehr modern war (meiner Meinung nach), war es gar kein großes Problem, alles auf online umzustellen. Vorher wurde auch schon eh alles immer aufgenommen! Die Osterferien wurden um eine Woche verlängert (3 statt 2) und die Klausuren wurden um einen Monat nach hinten verschoben, damit genug Zeit bleibt, alle Prüfungen online umzustellen. Zudem bietet die Uni den Support, dass wenn man durch eine Prüfung durchfällt, das nicht online einsehbar sein wird, da es besondere schwierigere Umstände zurzeit sind. Zudem kann man pro Kurs eine Verlängerung der Hausarbeit/Quiz um 2 Wochen mit dem Grund Corona beantragen.“


Gibt es auch weiterhin die Möglichkeit, sich untereinander mit anderen Studierenden auszutauschen?

Sina & Sarah: „Ja, die Möglichkeit gibt es durch Zoom. Durch die Plattform kann man sich mit anderen Studierenden in einem Online Meeting treffen und Dinge diskutieren, an Hausarbeiten arbeiten oder Präsentationen vorbereiten.“

Katharina: „Die Zusammenarbeit mit meinen Mitstudenten ist möglich, findet allerdings so wie alles andere auch online statt. Mittels verschiedener Programme halten wir Online-Konferenzen ab mit bis zu zehn Leuten. Das ist schon etwas komplizierter, als wenn man im selben Raum sitzen würde, da nur einer auf einmal reden kann. Kleinere Fragen können über Facebook oder Whatsapp geklärt werden. Es ist viel zeitintensiver und strapaziert ab und zu die Nerven. Aber am Ende kommt man doch auf ein Ergebnis, mit dem man zufrieden ist.“


Welchen Support bietet die Uni an?

Katharina: „Die Uni bietet großartige Unterstützung an und kümmert sich liebevoll um alle Studenten! Wir bekommen regelmäßige Updates vom Unileiter über die Situation, die herzerwärmend und motivierend verfasst werden. Es werden Pakete losgeschickt mit essenziellen Nahrungsmitteln und Kosmetik-Artikeln, die Studenten in finanzieller Not umsonst anfordern können. Vor Kurzem wurde sogar ein Formular losgeschickt, mit dem Studenten um eine einmalige Finanzspritze von der Uni bitten können! Diese Angebote gelten sowohl für nationale als auch für internationale Studenten. Außerdem werden Workout-Videos online gestellt, damit alle fit und gesund bleiben. Das Ärztezentrum auf dem Unigelände und die Uni-Seelsorger lassen ihre Türen weit offen für alle, die unter psychischem oder physischem Stress stehen. Nächste Woche, die Woche vor Ostern, hat der Unileiter eine unterrichtsfreie Woche eingeleitet, damit alle einmal in Ruhe durchatmen können. Die wird am Ende des Semesters nachgeholt. So hat man wirklich das Gefühl, dass am Ende alles gut wird!“


Was sind deine Highlights und Lichtblicke in dieser Situation?

Philipp: "Das ist unterschiedlich, grundsätzlich versuche ich, die Gesamtsituation nicht so verbissen zu sehen, sondern eher innerhalb der Grenzen den ganz normalen Alltag weiterleben. Das klappt schon ganz gut. Da die Prüfungen relativ konstant über die Wochen verteilt sind, hat man eigentlich immer etwas zu tun – jedenfalls kam bei mir noch keine Langeweile auf. Daneben wohne ich in einer WG und bin nie allein, was auch wichtig ist. Außerdem ist meine WG ganz witzig, denn wir sind eine Mischung aus Iran, Philippinen und Deutschland. Die Mutter des philippinischen Mitbewohners ist hier in Australien gestrandet und wohnt jetzt bei uns, zufälligerweise ist sie auch Anwältin. Ab und zu haben wir auch Lunch oder Dinner zu viert gemeinsam. Selten kommen auch noch die philippinische Tante und Onkel vorbei – das ist klasse! Unter dem Strich ist es hier also ganz gut. Ich habe den Eindruck, dass alle Menschen hier – egal, ob auf der Straße, Uni oder sonst wo – versuchen, das Beste aus der Situation zu machen."

Jessica: „Meine Highlights bzw. Lichtblicke in dieser Zeit sind die täglichen Spaziergänge und Ruhepausen mit meinem Freund, die wir vorher weniger hatten. Das Wetter ist immer noch hervorragend und unsere Wohngegend einfach traumhaft. Das Haus in dem wir wohnen ist neu und fühlt sich schon fast wie zuhause an.“

Sandra: „Meine Lichtblicke sind derzeit, dass ich immer noch innerhalb der Familie meine Englischkenntnisse verbessern kann und das Familienleben hier sehr mag. Ich finde es sehr schade, dass ich jetzt kaum Kontakt zu meinen Kommilitonen hab, außer während der Online Sessions. Die sind auch immer sehr lustig. Aber ich war gerade dabei, viele persönliche Kontakte zu knüpfen, wo man sich auch mal außerhalb der Uni treffen würde, aber daraus wird jetzt nichts. Aber ich versuche erstmal positiv zu bleiben und das Beste draus zu machen. Ich bin sehr froh, dass ich hier zumindest in den ersten Wochen schon einiges von Australien sehen konnte (war mehrfach in Sydney).“

Katharina: „Ich versuche positiv zu bleiben und mich nicht zu sehr in die negativen Dinge reinzusteigern. Meine Freunde tun das gleiche und es ist echt herzerwärmend, wie viel Liebe und Zuspruch man in einer solchen Situation bekommt. Man merkt, wie sehr die Leute einem am Herzen liegen. Außerdem ist es doch auch schön, ein bisschen Zeit für sich zu haben. Mal das Buch zu lesen, das schon seit Ewigkeiten im Schrank liegt oder kreativ zu werden. Das Beste ist der Gedanke „danach“. Wir machen hier schon Pläne und spekulieren darüber, wie groß die Party sein wird, wenn alles vorbei ist. Auf einmal fallen einem so viele Sachen ein, die man machen könnte, wenn man die Freiheit dazu hätte. Das wird alles aufgeschrieben und in die Tat umgesetzt, sobald wir wieder raus dürfen. Diese Vorfreude versüßt einem definitiv die Zeit!“


Hast du darüber nachgedacht, nach Hause zu fliegen? Warum hast du dich dagegen entschieden?

Jessica: „Ernsthaft darüber nachgedacht nach Hause zu fliegen, habe ich tatsächlich nicht eine Sekunde.  In Deutschland ist meine Uni noch nicht so weit mit den ganzen Online-Lehrmethoden, wie es hier in Australien schon lange der Fall ist. Davon abgesehen haben wir eine sichere Unterkunft und Krankenversicherung für die nächsten 4 bis 6 Monate. Es wäre eine vom Nieselregen in die Traufe Situation."

Katharina: „Nein, ich habe nicht darüber nachgedacht, nach Hause zu fliegen. Auch wenn alles momentan sehr komisch und ungewohnt ist, fühle ich mich trotzdem wohl. Die Uni hat einen sehr gut aufgenommen. Alle unterstützen sich hier gegenseitig und geben einander Kraft und Hoffnung. Das Studium macht Spaß und geht trotz alledem vorwärts. Ich werde so einem blöden Virus nicht die Chance geben, sich mir dabei in den Weg zu stellen! Natürlich ist es schwer, wenn ich an meine Familie zu Hause denke. Zum Glück ist bis jetzt alles gut und alle sind gesund. Doch sollte sich das ändern, würde ich mir schon wünschen, dass ich die Möglichkeit habe, zu ihnen nach Hause zu kommen. Man muss einfach die Daumen drücken, dass alles gut und sehr bald endet.“