Hobbithäuschen

24.08.2023

Annelies Erfahrungsbericht - der Traum von der langen weißen Wolke

Träume

Es war einmal ein kleines Bauernmädchen. Es wuchs auf dem Lande im schönen Mittelfranken auf, spielte mit Katzen und plantschte in einer Zinkbadewanne im Garten. Mit der Zeit wurde es größer, ging zur Schule, bald auf das Gymnasium und schließlich zur Universität in der Stadt Erlangen. Nach dem Abschluss seines Bachelorstudiums spürte das Mädchen den Drang, die Welt zu entdecken, etwas Neues zu sehen und einfach mal auszubrechen. Doch zunächst traute es sich nur mit Erasmus nach Ungarn zu gehen, wo es ja auch wunderschön ist. Damit war es sehr zufrieden, bis eine schreckliche Krankheit ins Land einzog. Plötzlich war nichts mehr so, wie es hätte sein sollen. Ein Auslandsaufenthalt mit 21 Jahren sollte verbunden sein mit Vorlesungen im Hörsaal, geselligen Treffen und dem Schwingen des Tanzbeines in den örtlichen Diskotheken. Aber mit der Krankheit war das alles nicht mehr möglich. Das Mädchen hegte den Wunsch, erneut ein Reise zu machen und endlich die Welt zu entdecken.

Es träumte von Spanien und von Irland, dann von Island und auch von Japan. Doch diese Träume verblassten, während die Krankheit weiter wütete und die Luftschlösser des Mädchens in weiter Ferne blieben. Aber auch die Krankheit dauerte nicht für immer an. In der Zwischenzeit schloss das Mädchen seine Prüfungen ab und schrieb an seiner Masterarbeit. Doch da war noch immer dieser Gedanke: Was ist mit dem Auslandsaufenthalt? Der lang ersehnte Traum, ein unbekanntes Land zu erkunden, blieb im Kopfe des Mädchens. Wenn nicht jetzt, wann sollte es noch einmal die Gelegenheit bekommen, ein halbes Jahr im Ausland zu verbringen, zu studieren und zu reisen? So begann das Mädchen sich kundig zu machen und fasste schließlich den Entschluss, in das Land am anderen Ende der Welt zu reisen. Auf manchen Karten taucht dieses Land gar nicht auf. Die Rede ist von dem Land der langen weißen Wolke – Aotearoa – Neuseeland.
 

Cape ReingaPohutakawa
Das Träumchen von Cape ReingaPohutakawa


Realität

Weil wir uns nicht in einem Märchen befinden, ist das kleine Mädchen mit seinen 25 Jahren längst nicht mehr so klein und die Realität sieht nun einmal anders aus. In diesem Erfahrungsbericht möchte ich weder beschönigen noch schlechtreden.
Auf dem Lande aufgewachsen, fiel Geld bei uns nicht vom Himmel – ich hatte einen Werkstudentenjob und sparte, weil ich wusste, dass der Tag kommen wird, an dem ich meine Ersparnisse brauchen werde. Dennoch reichte das noch nicht, dachte ich, und bewarb mich für das Teilstipendium von GOstralia!-GOmerica!. Mein Freund und ich verbrachten drei Wochenenden mit dem Dreh und Schneiden meines Bewerbungsvideos, und als ich dann als Stipendiatin für die Victoria University of Wellington ausgewählt wurde, fühlte ich mich überglücklich. Die Studiengebühren betrugen hier etwa 6.500 EUR für 3 Kurse bzw. 25 ECTS. Während der Studienzeit erhielt ich 4.800 EUR vom BAföG-Amt, aber am Ende forderte es 2.360 EUR wegen des Halbstipendiums zurück… Long story short: Nach meinem Auslandssemester war ich nicht völlig verarmt und es hat sich definitiv gelohnt.

Kurz nachdem ich meine Masterarbeit eingereicht hatte, saß ich bereits im Flieger nach Neuseeland. Mein Freund begleitete mich auf meiner Anreise und wir verbrachten eine wundervolle Zeit zusammen auf der Südinsel. Daran werde ich mich immer sehr gerne zurückerinnern. Bald darauf begann die Uni und wir mussten uns schweren Herzens für 5 Monate voneinander trennen. Ich erinnere mich an die Eingewöhnungsphase an die Uni, an die WG, und die vielen Menschen, die ich auf meinem Weg kennenlernte. Zeitweise war es schwer, die Entfernung zu meinen Lieben und meiner Heimat zu ertragen. Dennoch trage ich nun tiefgreifende Erinnerungen in mir, die ich mir nie hätte erträumen können. Neuseeland ist ein atemberaubendes Land, und ich war oft von seiner Schönheit überwältigt.
 

Mount Taranaki am Pouakai Circuit Henry Peak Lookout
Mount Taranaki am Poukakai Circuit


Ebenfalls hätte ich mir niemals erträumen können, wie unterschiedlich Kulturen und Menschen sein können. Das Land ist gewissermaßen isoliert, Australien sein großer Bruder, und macht ein bisschen sein eigenes Ding. Gleichzeitig gibt es Abhängigkeiten von Branchen wie der Milchwirtschaft, insbesondere gegenüber China. Die Natur ist nicht mehr so unberührt und sogar der Milford Sound kommt nicht ohne Flugzeuggeräusche aus. Neuseeland lebt eben auch vom Tourismus und wenn man dort hinreist, ist man ein Teil davon – das sollte einem bewusst sein.

Ich hatte ja erwartet, während meines Aufenthalts persönlich zu wachsen. Doch manchmal wusste ich nicht, wohin mit mir – mein Kopf wurde aufgeräumt und das erforderte viel Kraft und Mut. Tatsächlich wuchs ich nicht nur an den vielen schönen Dingen, denen ich begegnete, sondern vor allem an den Herausforderungen. Ob im Kurs über Zen-Buddhismus und östliche Denkweisen, in der WG, oder auf Reisen mit anderen – ich lernte mich neu kennen, wurde geduldiger und nachsichtiger mit mir selbst und anderen. Das stärkte meine Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Einsicht, ebenso wie den Mut, an meinen Vorhaben festzuhalten, wenn sie mir wichtig waren. So gönnte ich mir Pausen, wenn ich sie brauchte, und plante einen großen Teil meiner Reise alleine. Zugleich hatte ich mehr Energie und Spaß bei gemeinsamen Unternehmungen und trage nun große Wertschätzung und Dankbarkeit in mir. Diese beziehen sich sowohl auf die Menschen, die ich in Neuseeland kennenlernte und die gemeinsamen Erlebnisse, die uns für immer verbinden werden, als auch mein Zuhause mit all seinen lieben Menschen.

Was ist sonst so passiert?

Natürlich möchte ich euch nicht vorenthalten, was sich am Ende meiner Reise noch so zugetragen hat. In meinem letzten Blogeintrag „Reisetipps und Sonstiges in Wellington und Neuseeland“ hatte ich meine Pläne aufgeführt, und so ähnlich sind sie dann auch passiert. 

Zunächst verbrachte ich 2 Nächte in Auckland und hatte erneut das Glück, von schönem Wetter begleitet zu sein. An einem strahlend sonnigen Tag erkundete ich die Metropole und legte dabei um die 40.000 Schritte zurück. Ich besuchte Mount Eden, den Eden Garden, Cornwall Park, Auckland Domain und landete am Abend bei einem veganen Thai-Restaurant in der Innenstadt.
Es folgte eine Exkursion auf Waiheke Island für 2 Nächte. Dort hatte ich zwar etwas weniger Lust auf ausgedehnte Spaziergänge, dennoch kamen immerhin noch 20-25.000 Schritte pro Tag zusammen. Ein Abstecher dorthin lohnt sich auf jeden Fall, die Strände dort sind wie aus dem Bilderbuch. Praktischerweise konnte ich meinen Koffer im Hostel (Varandahs Parkside) in Auckland lassen und somit mit leichtem Gepäck (zwei Rucksäcken) reisen. 

Mount EdenWaiheke Palm Beach
Mount Eden Auckland LookoutWaiheke Palm Beach


Am Tag meiner Rückkehr in Auckland traf ich eine Gruppe von Freunden, die ich während meiner Zeit in Wellington kennengelernt hatte. Wir brachen am nächsten Tag auf, um das nördlichste Kap Neuseelands zu erreichen: Cape Reinga. Dieses Erlebnis war einfach atemberaubend und der gemeinsame Roadtrip war ebenso wunderbar. Zwei Nächte verbrachten wir zu dritt im Campervan, während eine Freundin im Auto schlief. Am dritten und letzten Tag teilten wir uns alle den Van – eine sehr kuschelige Angelegenheit, die ich eher vermeiden würde. Vom Baden an einem verlassenen Strand bis zum Surfen auf den Dünen aus feinem Sand nahe Cape Reinga - einen schöneren Abschluss für mein Auslandssemester in Neuseeland als diesen Trip hätte ich mir nicht erträumen können.
 

Team Cape ReingaCamping Van
Team Cape ReingaCamping Van


Eine meiner Freundinnen fuhr mit mir nach Auckland zurück (die anderen setzten ihre Reise im Norden noch fort). Am letzten Tag gingen wir gemeinsam Frühstücken, bevor auch wir uns erstmal verabschiedeten. Ich erledigte meine letzten Besorgungen (Tee, Rewarewa und Manuka Honig, usw.) und auch die letzten Entsorgungen (an Auckland City Mission). Am Abend des 19. Juli 2023 trat ich schließlich meinen Rückflug nach Frankfurt an.

Abschließende Gedanken

Meine Zeit in Neuseeland war zweifellos unvergesslich. Was einst mit einem Traum begann, entwickelte sich zu einer Reise voller Höhen und Tiefen. Ich konnte mich erheblich weiterentwickeln, nicht nur fachlich, sondern vor allem auch charakterlich. Meine Erlebnisse und Erfahrungen haben meine Perspektive auf die Welt, sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte, erweitert und die Erinnerungen, die ich gesammelt habe, werden für immer in meinem Herzen weiterleben.

Abschließend möchte ich all jenen danken, die Teil meiner Reise waren – sei es als Mitreisende, Studienkolleginnen und -kollegen, gewonnene Freunde, Airbnb-Gastgeber oder Hostel-Mitbewohner. Ebenso danke ich GOstralia!-GOmerica! und der Victoria University of Wellington für die Unterstützung und die Möglichkeit, diese einzigartige Erfahrung zu machen. Ich danke insbesondere meinen Lieben zuhause, die mich so wundervoll wieder bei sich aufgenommen haben. Vielen lieben Dank. 
 

Weitere Infos findest du in meinen Blogeinträgen:

1.    Vorbereitung und Bewerbung
2.    Ankunft und Orientierung
3.    Unterkunft und Wohnen
4.    Studium und Campus
5.    Reisetipps und Sonstiges