View over Wellington

15.04.2023

Orientierung und Ankunft an der VUW

Nach meinem ersten Blogeintrag über die Vorbereitung und Bewerbung geht es dieses Mal um die Ankunft und Orientierung. Bevor wir durchstarten, noch kurz ein wenig Kontext, um meine aktuelle Perspektive einordnen zu können: Wir schreiben den 10. April 2023, die Orientation Week an der VUW ging vom 20. bis 25. Februar. Das ist subjektiv schon wieder recht lange her, einfach weil in der kurzen Zeit sehr viel passiert ist. Insofern bin ich mir sicher, dass ich dir hier die wesentlichen Informationen geben kann – die Details sind wahrscheinlich eh wieder anders. Darüber hinaus habe ich bereits Antworten auf offene Punkte im vorherigen Beitrag parat. Diese findest du beim zugehörigen Unterpunkt.
Jetzt will ich dich nicht weiter auf die Folter spannen. Let’s GO!

Ankunft

Während meiner ersten Zeit in Neuseeland wurden meine Erwartungen und Vorstellungen oft bestätigt und sogar übertroffen. Allerdings wurde ich auch von vielen Dingen überrascht, die ich mir nicht hätte vorstellen können.

Mentalität

Du hast sicher schon von der hohen Freundlichkeit der Neuseeländer gehört. Das scheint hier die allgemeine Einstellung zu sein. Zum Beispiel warten die Busfahrer, wenn möglich, auf dich und fragen dich, ob du sicher bist, dass du richtig ausgestiegen bist oder ob du weiterfahren möchtest. Und wenn du jemanden nach dem Weg fragst, bringt er oder sie dich vielleicht sogar dorthin. ... Trotzdem würde ich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Nicht alle Menschen heißen dich sofort willkommen, und nicht alle Menschen sind offenherzig und wohlgesinnt. Das liegt einfach daran, dass jeder eine persönliche Vergangenheit hat und nicht jeder immer sofort bereit ist, sich zu öffnen. Außerdem gibt es auch in Wellington Obdachlosigkeit und Armut.

Kultur

Das bringt mich zu dem Thema Kultur. Neuseelands Amtssprache ist Englisch und etwa 70 % der Einwohner sind europäischer Herkunft. Das klingt zunächst ziemlich langweilig, und der europäische Einfluss und Eingriff in die Landschaft ist offensichtlich (Städte, Landwirtschaft). Aber es gibt noch ein paar andere Faktoren, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind. Zum einen waren die eingewanderten Europäer wahrscheinlich ein ganz anderer Schlag von Menschen, ein sehr mutiger, würde ich vermuten. Zum anderen bilden die Maori, die seit Hunderten von Jahren in Neuseeland leben, mehr als 15 % der Bevölkerung und haben definitiv einen besonderen Platz in der Gesellschaft. Obwohl es manchmal den Anschein hat, dass die beiden sehr unterschiedlichen Kulturen nebeneinander leben, wird bei näherer Betrachtung und Einfühlung deutlich, dass das Streben nach einer gemeinsamen Kultur und einem harmonischen Miteinander sehr präsent ist. Die Globalisierung scheint das Ganze zu verstärken, da es nicht mehr nur zwei Seiten gibt, sondern ein gemeinsames Gefüge verschiedener Kulturen entstehen kann.

 

Waterfront WellingtonWellington an bewölkten Tagen
An der WaterfrontWellington an bewölkten Tagen

 

Gefahren

Außer dreier seltener Spinnen scheint es in Neuseeland keine gefährlichen Tiere zu geben. Die harmloseste davon habe ich aber bereits wie sonst mit einem Glas aus meinem Zimmer getragen.
Die größte Gefahr stellt tatsächlich das Wetter dar. Es ist ENORM wechselhaft. Im einen Moment ist es bewölkt, regnerisch und du frierst. Im anderen Moment darfst du deine 5 Lagen ausziehen, um dich von der Sonne verbrennen zu lassen. Aufgrund der dünnen Ozonschicht bist du trotz Wolken nicht vor einem Sonnenbrand sicher. Trust me!

Abgesehen von der alltäglichen Wechselhaftigkeit ist Neuseeland aufgrund seiner Lage im Südpazifik und an der plattentektonischen Grenze auch unvorhersehbaren Wetterereignissen ausgesetzt. Vor meiner Ankunft wurde auf der Nordinsel wegen verheerender Überschwemmungen der Notstand ausgerufen. Unsere Weiterreise wurde wegen des Zyklons Gabrielles verzögert, und bevor wir in Wellington ankamen, gab es ein Erdbeben. Ein Zyklon ist ein tropischer Wirbelsturm und entspricht in etwa einem Hurrican, mit dem Unterschied, dass er auf der Südhalbkugel auftritt und somit die Drehrichtung unterschiedlich ist. Der Zyklon Gabrielle näherte sich Neuseeland, wanderte an der Küste entlang und zog dann nach Osten ab. Die Interislander Ferry konnte etwa zwei Tage lange keine Passagiere nach Wellington bringen. Mein Freund und ich mussten demnach einen weiteren Tag in Picton bleiben, um das Wetterereignis auszuharren, bis wir mitten in der Nacht mit der Fähre weiterfahren konnten. Noch am Terminal in Picton trat dann das Erdbeben auf und wir mussten für zehn Minuten das Gebäude verlassen. Das Fährenunternehmen schien bereits auf solche Umstände vorbereitet zu sein und hielt seine Passagiere mit Essen, Kaffee und Tee bei Laune (just New Zealand things).

Orientierung

Bei der Orientierung an der VUW und in Wellington gab es das übliche Chaos an Formalien, Events und Anschaffungen. Damit man da nicht sofort untergeht, empfiehlt sich, sich dafür Zeit zu nehmen. Grundsätzlich sollte man sich nicht allzu sehr reinstressen und bevor man verzweifelt, mal nachfragen. Die Uni war sehr entspannt, was Dokumente und Kursanmeldung bzw. -ummeldungen anging. Leider kommt man aber nicht drum herum, die Emails zu lesen *hust*.

Orientation Week

Einfach hingehen. Der Hauptzweck ist, dass du gleich ne Hand voll Leute kennenlernst. Und es ist so viel entspannter, vor Ort alles zu organisieren, wenn du nicht schon Vorlesungen hast.

Kurse

Nach langem Überlegen habe ich mich für die Kurse „Introduction to Biotechnology“/BTEC101 (15 points), „Data Management and Programming“/DATA472 (15 points) und „Special Topic: Zen Buddhism: Meditation, Mindfulness and Wellbeing“/RELI227 (20 points) entschieden. Ich bin überaus zufrieden mit meiner Wahl. Es ist aber schon viel Arbeit mit den ganzen Assignments und Tests. Deshalb würde ich nicht mehr als 3 Kurse empfehlen.

Clubs

In der zweiten Uniwoche gibt es eine Club Expo, wo sich eine Vielzahl an Uni-Clubs und Organisationen vorstellen. Besonders würde ich den Tramping Club und die Yoga Lounge empfehlen. Ansonsten würde ich es mir hier sparen, dir Vorschläge zu machen. Es werden so viele Interessen bedient. Schau dich um!

Finanzen

Meine Finanzen wurden in der ersten Zeit etwas knapp, bis ich mein Halbstipendium von GOstralia!-GOmerica! Mitte März und das Auslands-BAföG Ende März erhalten habe. Zwischendurch habe ich echt sparen müssen, aber am Ende habe ich es ohne Kredit geschafft und das Geld rechtzeitig bekommen, um die Midterm Break zu planen. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass du auf jeden Fall Rücklagen von 1000-2000 EUR haben solltest, damit du dir keine Sorgen machen musst.
Meine zusätzlichen Kosten für die Unterkunft in Picton (inkl. Stornierungsgebühren aufgrund spontaner Weiterfahrt) wurden komplett von der Reiseversicherung der VUW (Study Safe) übernommen. Ich würde es allerdings vermeiden, ein Luxushotel zu buchen, da nur ein gewisser Betrag übernommen wird. Wie vorher beschrieben, ist deine finanzielle Liquidität gerade am Anfang deines Semesters ein Thema.

 

RockclimbingMount Taranaki am Pouakai Circuit Henry Peak Lookout
RockclimbingMount Teranaki

 

Reisepläne

Mache deine Reisepläne so früh wie möglich und aktiviere deine Kontakte. Der größte Hemmer bei der Planung sind tatsächlich andere Menschen, außer natürlich du möchtest alleine reisen. Am Anfang hat man für die Planung noch mehr Zeit, und kurz vor der Midterm Break sind alle mit Assignments und Tests beschäftigt. Checkt dabei die Flugkosten tages- und uhrzeitabhängig. Eine Freundin und ich haben am Ende fast 400 NZD pro Person für Hin und Rückflug nach Queenstown und gezahlt. Ebensoviel hat der Mietwagen ohne Sprit gekostet. Es wäre sicherlich günstiger gewesen, sich die Kosten mit mehreren Leuten zu teilen. Deshalb: Kümmere dich frühstmöglich darum, deine Pläne mit anderen abzugleichen, und dann den Flug und das Auto zu buchen.

Zeitverschiebung

Ende März/Anfang April gibt es jeweils eine Zeitverschiebung in Deutschland und Neuseeland, sodass sie nun nicht mehr 12, sondern 10 Stunden beträgt. Dadurch verändert sich die Anrufzeit wiederum etwas, aber ist immer noch einigermaßen kompatibel mit den Tagesabläufen.

Was ist sonst noch so passiert?

Einiges! Als mein Freund noch da war, sind wir ins Zealandia gefahren, haben uns die Stadt und die Waterfront angesehen und sind Essen gegangen. Nachdem ich mich drei Jahre lang ausschließlich vegan ernährt habe, esse ich jetzt wieder Fisch. Irgendwie fühlt sich das in Neuseeland wegen seiner Nähe zum Meer sehr gut an.

Wellington eignet sich hervorragend für Wanderungen in der näheren und weiteren Umgebung. Ich habe zum Beispiel mit Freunden den Belmont Regional Park und den Mount Victoria erkundet. Aber ich war auch schon alleine unterwegs, habe Muscheln gesammelt (die darf man aus Neuseeland mitnehmen!), bin den City Sea Walkway im Oku Reserve entlang gelaufen, und zum Massey Memorial gejoggt. Ansonsten habe ich am Freshers Wanderwochenende und einer Rockclimbing Veranstaltung des Tramping Clubs teilgenommen und wanderte mit einer Gruppe von Internationals auf dem Escarpement Walkway. Eine weitere größere Wanderung von drei Tagen habe ich mit 5 anderen Mädels im Mount Taranaki National Park unternommen.

 

Sterne am Mount TaranakiEscarpement Walkway Road
Sterne am Mount TeranakiEscarpement Walkway Road


Neben Wanderungen kannst du in Wellington auch das multi-kulti Stadtleben mit Karaoke, Clubs und Bars (vor allem an Wochenenden), Second-Hand-Läden und Ausstellungen, etc. genießen. Besuche auch die Märkte, die von hin und wieder in Stadtteilen wie Newtown stattfinden, um in den Genuss der kulinarischen Vielfalt zu kommen.

Beim Schreiben dieses Blogeintrags bin ich von gemischten Gefühlen betroffen. Das hat gute Gründe. Zum einen glaube ich nämlich, dass es definitiv ein riesiger Schritt aus meiner Komfortzone war und immer noch ist, was den Flug und aber auch das Leben vor Ort betrifft, die vielen Kontakte und die vielen Abenteuer, an die ich mich bereits herangewagt habe. Zum anderen vermisse ich meinen Freund, meine Freunde, meine Familie und auch meine Heimat sehr. Letztendlich denke ich aber, dass es entscheidend ist, die Herausforderungen als Chance zu sehen, um zu wachsen.