Nachhaltigkeit im Auslandssemester

14.11.2019

Interview: Wie lässt sich ein Auslandssemester nachhaltig gestalten?

Gewusst wie: Miriam und Angelina, die an der UTS Sydney studieren, zeigen euch, wie sie ihren Flug kompensierten, nachhaltig reisen und welche Projekte sie geplant haben.

Nachhaltigkeit im Studium: Welche Kurse habt ihr für euer Auslandssemester gewählt und wie weit decken diese das Thema Nachhaltigkeit ab?

Im „echten Leben“ studieren wir Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt auf Textiltechnik in Dresden. Unser Auslandssemester wollen wir dafür nutzen, unser privates Interesse für Nachhaltigkeit auch vermehrt für unseren späteren beruflichen Kontext zugänglich zu machen.
Aus diesem Grund haben wir uns für jeweils drei Kurse entschieden, die unser Nachhaltigkeitswissen entweder direkt oder indirekt voranbringen. Gemeinsam belegen wir die beiden Fächer „Ecology and Sustainability“ (dt.: Ökologie und Nachhaltigkeit) und „Strategic Supply Chain Management“ (dt.: Strategisches Lieferkettenmanagement). Angelina hat zusätzlich „Managing Projects“ (dt.: Projektmanagement) gewählt und Miriam „Business Ethics and Sustainability“ (dt.: Unternehmensethik und Nachhaltigkeit).

Eine nachhaltige Entscheidung zu treffen, bedeutet ökonomische, ökologische sowie soziale Aspekte gleichberechtigt und verantwortungsvoll zu betrachten. Der Kurs „Ecology and Sustainability“ setzt dabei bei der ökologischen Dimension an und zeigt die Folgen des menschlichen Handelns auf unsere Umwelt und stellt Maßnahmen heraus, womit man diesen entgegenwirken kann. „Business Ethics and Sustainability“ fokussiert sich eher auf die soziale Dimension und zeigt, wie man Konzepte rund um Ethik und Moral in Unternehmensentscheidungen integrieren kann.Die anderen beiden Kurse klingen für euch vielleicht eher wie klassische Wirtschaftsfächer über Projektmanagement und Logistik und das sind sie tatsächlich auch! Diese Bereiche sind aber sehr wichtig, um den gesamtwirtschaftlichen und globalen Kontext verstehen und anwenden zu können: Denn auch Nachhaltigkeitsprojekte müssen geplant, gemanagt und kalkuliert werden, um verantwortungsvolle Entscheidungen mit fachlichem Hintergrundwissen treffen zu können.
 

In Australien sind Distanzen sehr weit, wie schafft ihr es, so wenig wie möglich zu fliegen und beim Reisen Co² zu sparen?

Durch unsere Langstreckenflüge von Berlin über Singapur nach Sydney und wieder zurück wurden unseren Berechnungen zufolge ca. 9000 kg CO2 pro Person ausgestoßen. Dieser Wert ist knapp 4-mal höher als unser umweltverträgliches Jahresbudget. Diese Flüge konnten wir dank unseres Crowdfundings mit Atmosfair kompensieren, aber es war uns auch klar, dass wir vor Ort nicht noch mal in ein Flugzeug steigen wollen. Unseren Erfahrungen nach ist das aber auch überhaupt nicht nötig. Australien hat so unglaublich viel zu bieten, dass man auch in der Umgebung schon ganz viel entdecken und erleben kann.

Sogenanntes „Slow Travelling“ - also langsames und bewusstes Reisen – funktioniert hier super! Begeistert hat uns schon die Zeit, die wir bisher in Sydney selbst verbringen konnten. Von Kultur und Architektur, Surfen und Lesen am Strand, bis hin zu kulinarischen Highlights und bunten Märkten an jeder Ecke kann man sich bereits innerhalb der Stadt begeistern lassen. Wenn man zu Fuß, mit dem Fahrrad und dem Bus unterwegs ist, dann kann man parallel Umweltfreundlichkeit mit einer kleinen Stadttour verbinden und die „neue Heimat“ ganz genau kennenlernen.
Unsere Wochenendausflüge haben wir so geplant, dass wir mit Zug und Bus möglichst emissionsarm reisen konnten. Wir waren zum Beispiel für Kurzurlaube in Byron Bay und auch in Coffs Harbour, die wir beide wahrscheinlich ein Leben lang in Erinnerung behalten werden. Die lange Zugfahrt konnten wir gleichzeitig nutzen, um Essays für die Uni und Beiträge für unseren Blog zu schreiben, Filme zu gucken und Podcasts zu hören, zu Stricken, Bücher zu lesen, leckere Sachen zu essen.
Bereits der Blick aus dem Fenster hat sich gelohnt, um die verschiedensten Seiten Australiens zu sehen. Für besondere Eindrücke und Momente braucht es nicht immer die großen Touristenattraktionen wie Uluru, Great Barrier Reef & Co.: Manchmal reicht es auch schon mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und die kleinen Schönheiten wahrzunehmen, die einem auf dem Weg begegnen.
 

Welche drei Nachhaltigkeits-Tipps habt ihr für andere Student*innen im Auslandssemester, die einfach sind und bei denen sich vielleicht sogar Geld sparen lässt?

Spartipps für Foodies: Obst, Gemüse und Kräuter findet ihr frisch, lecker und unverpackt auf Märkten wie dem Paddy‘s Market oder Harris Farm Market. Dort lässt sich im Vergleich zu Supermärkten auch der Geldbeutel schonen. Der Griff zu saisonalem und regionalem Obst und Gemüse ist oftmals gleichzeitig nachhaltiger und preisgünstiger als die Alternativen, die entweder lange gelagert oder weit transportiert werden mussten. Aktuell ist Mango-Saison – ein guter Zeitpunkt, um in eine Palette Mangos zu investieren und die Mango-Rezepte deiner Träume auszuprobieren.
Kleiner Extratipp: Unperfektes Obst und Gemüse wird meistens für den Bruchteil des Preises verkauft. Es ist weiterhin sehr schmackhaft und wurde nur aus optischen Gründen (z.B. nicht ganz gerade gewachsen oder mit einer kleinen Delle) aussortiert. Wir haben aber bisher kaum einen Unterschied zu der „perfekten“ Alternative erkennen können!

Transporttipp: Zu Fuß, mit dem Fahrrad, der Bahn, der Fähre, dem Bus und dem Zug kann man viele Orte umweltfreundlich erreichen. Wer in Sydney und Umgebung an einem Sonntag mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, zahlt den ganzen Tag nur $2.50. Diese Chance sollte man Ausflüge innerhalb Sydneys z.B. nach Manly oder die Blue Mountains nutzen. Haltet außerdem nach Studenten-Rabatten Ausschau. Wir konnten bei unserer Onlinebuchung von Fernzügen beispielsweise knapp 40% des Originalpreises sparen. Solltet ihr innerhalb von Australien mit dem Campervan reisen wollen, dann achtet auf den Spritverbrauch. Dieser kann schon mal zwischen 6l/100km und 15l/100km variieren: Ein großer Unterschied für Umwelt und Geldbeutel.

Freizeittipp: Packt die Wanderschuhe ein! Australiens wunderbare Natur lässt sich zu Fuß intensiv erkunden. Oft gibt es schöne ausgeschriebene Küstenwanderungen. Wir können euch auch empfehlen früh morgens den Sonnenaufgang am Strand zu beobachten: Mit etwas Glück kann man auch ohne teure Whale-Watching-Tour vom Strand direkt Wale und Delfine beobachten.
 

Bemerkt ihr Unterschiede beim Thema Nachhaltigkeit im Vergleich zu Deutschland? Was ist euch positiv aufgefallen und so seht ihr noch Verbesserungspotenzial?

Hier in Australien ist uns sehr positiv aufgefallen, wie warmherzig, offen und freundlich die Menschen miteinander umgehen. Themen wie Nachhaltigkeit werden – unseren Erfahrungen nach – nicht mit Verboten oder Vorwürfen angegangen, sondern mit viel Begeisterung und innovativen Ideen.
Unsere Uni (UTS in Sydney) engagiert sich beispielsweise sehr für Nachhaltigkeit und bringt dies in alle wichtigen Entscheidungen mit ein. Bei einer „grünen Campustour“ kamen wir aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als uns klar wurde, dass fast jedes schicke architektonische Detail in den Gebäuden auch gleichzeitig einen funktionalen, clever durchdachten Nutzen hat. Nachhaltigkeit geht hier ganz eng einher mit Faszination, Innovation und Zukunft. Das gefällt uns ziemlich gut.

An anderen Stellen – insbesondere im Alltag – fallen uns dann aber auch immer wieder Dinge auf, die nicht so nachhaltig gelöst sind. Ein Thema ist zum Beispiel Recycling und Mülltrennung. Diese Verfahren sind gerade noch im Aufbau und vielerorts noch gar nicht ausgereift. Außerdem stellen wir uns die Frage, ob es wirklich notwendig ist, jeden Samstag ein riesiges Feuerwerk am Darling-Harbour zur Unterhaltung anzubrennen. Zudem ist es üblich nahezu jede weitere Strecke mit dem Flugzeug zurück zu legen; selbst wenn es auch eine emissionsärmere Alternative gibt.
 

Was ist euer gemeinsames Traum-Projekt, mit dem ihr euch in Zukunft für Nachhaltigkeit engagieren würdet?

Mit unserem gemeinsamen Blog „Green Steps on Red Ground“ haben wir bereits den ersten grünen Schritt in Richtung unseres Traum-Projekts gewagt. Je mehr wir uns mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, umso klarer wird uns auch, dass diese Thematik langfristig gesehen keine ungeliebte Randbedingung bleiben darf. Sie sollte vielmehr in Wirtschaft, Politik und all unseren Alltagen einen festen Platz bekommen. Wir wollen mit dem Blog einen Beitrag dazu leisten, indem wir unser Nachhaltigkeitswissen aus Studium und Privatleben weitergeben und dabei viele andere Menschen – auf die entspannte australische Art die wir hier kennen und lieben gelernt haben – immer wieder inspirieren, begeistern und dazu motivieren mit uns ein paar grüne Schritte zu gehen.
Würden wir jetzt mal „größer“ und vielleicht auch etwas naiv vor uns Hinträumen dürfen, dann sind wir beide von dem Gedanken sehr fasziniert ein langfristiges nachhaltiges Lebens-/Wohn-/Arbeitsprojekt auf einem kleinen Hof mit Restaurant und Hofladen umzusetzen. Die Lebensmittel kommen aus dem Garten oder aus der Region, die Rezepte entwickeln wir nach Saison und Ernteerträgen, textile Produkte für den Laden werden von uns selbst aus Naturmaterialien produziert, die Energie wird durch Solarzellen auf dem Dach bereitgestellt. Dabei wollen wir auch unser Ingenieurswissen kreativ und verantwortungsvoll einbringen und vielleicht sogar weiterentwickeln. Anhand von Projekten oder Workshops mit Kindern, Unternehmen oder Urlaubsgästen könnten wir mit viel Spaß unser Nachhaltigkeits-Wissen weitergeben und besondere Momente erleben. Das ist zurzeit noch ein Traum – doch wer weiß – vielleicht wird er eines Tages tatsächlich Realität werden.
Einen wichtigen Aspekt müssen wir dabei natürlich auch erwähnen: Unser Hofhund würde ‚Terry‘ heißen. :)

Wir wünschen den beiden weiterhin viel Erfolg bei ihrem nachhaltigen Engagement und drücken die Daumen, dass ihr Traum eines Tages real wird!