29.06.2020

Der Wettlauf der Weltgemeinschaft um einen COVID-19-Impfstoff

Matthew Rimmer, Professor für Geistiges Eigentum an der juristischen Fakultät der QUT, hat Bedenken, dass sich in der aktuellen Krise nicht alle Nationen für einen allgemein zugänglichen und erschwinglichen Einsatz von Diagnostika, Therapeutika und Impfstoffen für COVID-19 engagieren werden. Welche Möglichkeiten hier das Patentrecht bietet, beschreibt der Experte in einem Überblick.

Während die Trump-Administration mit der Operation Warp Speed die Suche nach einem Impfstoff gegen COVID-19 propagiert, ist sie im gleichen Atemzug nicht bereit, weltweit mit Wissenschaftler*innen zusammenzuarbeiten, die ihre Erkenntnisse über COVID-19 teilen und sich verpflichtet haben, einen Impfstoff für jedermann erschwinglich und zugänglich zu machen.

Matthew Rimmer, Professor für Geistiges Eigentum an der juristischen Fakultät der QUT, hat die Sorge, dass die USA bei Diagnostika, Therapeutika und Impfstoffen für COVID-19 einen ‚America First‘-Ansatz verfolgen werden.

„Diese Haltung würde der weltweiten Kooperation und Zusammenarbeit von Ländern, Institutionen, Unternehmen und internationalen Organisationen im Kampf gegen COVID-19 zuwiderlaufen", sagte Professor Rimmer. Er ist Experte für den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Er ist nicht nur Mitautor von ‚Incentives for Global Public Health‘ sondern hat zahlreiche Artikel zum Patentrecht und öffentlicher Gesundheit verfasst.

„Überall auf der Welt sehen wir die Forderung, einen sicheren, wirksamen Impfstoff für Jedermann und zu erschwinglichen Preisen verfügbar zu machen. Australien und Neuseeland haben eine erfolgreiche diplomatische Rolle gespielt, um die wissenschaftliche Zusammenarbeit für die Erforschung von COVID-19 effektiv zu fördern.“

Premierminister Scott Morrison fordert die Entwicklung eines 'sicheren Impfstoffs, der für alle verfügbar und für alle erschwinglich ist'.  Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern setzt sich ebenfalls für den universellen Zugang zu allen Behandlungen und Impfstoffen ein.

Rimmer betont auch die Rolle Deutschlands. „Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt, dass nur eine globale Lösung die Pandemie überwinden wird. Dies sei ein Test für die Güte einer ganzen Generation.“

Mit dem ACT-Beschleuniger hat die WHO eine Initiative ins Leben gerufen, um von ihrer Seite eine globale Zusammenarbeit zur Beschleunigung der Entwicklung, Produktion und eines gleichberechtigten Zugangs zu neuen COVID-19-Technologien zu fördern. Der Arzneimittelpatentpool hat sein Mandat um COVID-19-bezogene Technologien erweitert, und die WHO und Costa Rica haben einen COVID-19-Technologiezugangspool eingerichtet. Allerdings wird auch deutlich, dass einige pharmazeutische Unternehmen und Biotechnologie-Entwickler nicht bereit sind, sich dieser freiwilligen Initiative anzuschließen.

Für Matthew Rimmer spielen Universitäten und öffentliche Forschungsorganisationen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungen. „Die Stanford University und mehrere andere sind an der Lizenzierung von geistigem Eigentum (IP) durch den öffentlichen Sektor beteiligt, um Produkte zur Prävention, Diagnose und Behandlung von COVID-19 herzustellen“, sagte er. Universitäten, die in der Grundlagenforschung eng zusammenarbeiten, haben öffentliche Forschungseinrichtungen aufgefordert, den Impfstoff 'freizugeben'. Selbst Unternehmen wie HP Enterprises, Intel, IBM, Amazon, Facebook und Uber haben die offene COVID-19-Verpflichtung übernommen, ihr geistiges Eigentum kostenlos zur Verfügung zu stellen, um die Pandemie zu beenden und die Auswirkungen der Krankheit zu minimieren.

Die Reaktion der Weltgemeinschaft auf die Pandemie stellt die Stärken, Grenzen und Flexibilität des Patentrechts auf die Probe. Das Patentrecht bietet dem Wissenschaftler nicht nur Exklusivrechte für neuartige, nützliche Erfindungen, sondern für Simmer sieht es auch Mechanismen vor, wie Erfindungen öffentlich zugänglich gemacht werden können, wie ein Technologietransfer gelingen kann und die die öffentliche Gesundheit im Blick haben und gleichzeitig den Wettbewerb sinnvoll fördern.

Wichtig für die Gegenwart ist, aus der Vergangenheit zu lernen, in der es bei Therapien für andere Epidemien wie HIV/AIDS, Tuberkulose, SARS, Vogel- und Schweinegrippe zu einem unkontrollierten Wettbewerb kam, in dem viele Akteure nur auf den eigenen Profit ausgerichtet waren.

Kanada, Israel, Ecuador, Chile und Deutschland haben vor diesem Hintergrund schon angedeutet, dass sie während der Pandemie bei Bedarf Zwangslizenzen zulassen würden. Ebenso hat Australien davor gewarnt, dass es seine Möglichkeiten zur staatlichen Benutzungsanordnung ("crown use") nutzen werde, wenn nur Patenterfinder von wesentlichen Erfindungen profitieren würden.

Matthew Rimmer sieht genügend rechtliche Grundlagen gegeben. „Sowohl das TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der WTO als auch die Erklärung von Doha erlauben es Nationen, Patentflexibilitäten wie Zwangslizenzen und staatliche Benutzungsanordnungen („crown use“) zu nutzen, um Epidemien im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen.