29.08.2023
Erfahrungsbericht von Lars an der RMIT in Melbourne
Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Die Vorbereitung eines Auslandssemesters in Australien erfordert zwar Aufwand und Vorlaufzeit, ist jedoch keine übermäßig schwierige Aufgabe. Es ist wichtig, frühzeitig eine Universität auszuwählen und dies mit der Studiengangsleitung sowie dem Partnerunternehmen abzustimmen, da der Anmeldeschluss etwa fünf Monate vor Beginn des Semesters liegt. Der gesamte Prozess wird über die Agentur GOstralia!-GOmerica! in Stuttgart abgewickelt, welche eine umfassende und strukturierte Unterstützung bietet. Dieser Service ist kostenlos und erleichtert das gesamte Unterfangen erheblich. GOstralia!-GOmerica! stellt Listen mit den erforderlichen Anmeldedokumenten wie Sprachnachweis und Learning Agreemen zur Verfügung. Als Sprachnachweis hat bei mir das Abiturzeugnis genügt.
Das Learning Agreements legt die im Ausland zu belegenden Kurse fest, damit diese bestmöglich den entsprechenden Modulen an der DHBW entsprechen. Bei Fragen zu den Dokumenten helfen die Berater von GOstralia!-GOmerica! und stellen auch Materialien wie eine Laufkarte für das Auslandssemester bereit. Sobald das Auslandssemester von allen Seiten genehmigt ist, sollte man mit den Reisevorbereitungen beginnen. Kranken- und sonstige Versicherungen können online in verschiedenen Ausführungen abgeschlossen werden. Bei einem Studentenvisum ist der Abschluss einer staatlichen australischen Krankenversicherung obligatorisch. Es ist auch möglich, bereits eine Auslandskrankenversicherung zu haben, bei mir war das beispielsweise durch meine Kreditkarte der Fall.
Daher bin ich mit einem Working Holiday-Visum eingereist, um die staatliche Krankenversicherung zu umgehen. Der geeigneste Visumstyp variiert allerdings je nach Student und sollte unbedingt im Voraus mit GOstralia!-GOmerica! abgestimmt werden. Die Beantragung des Visums erfolgt unkompliziert online und kostet etwa 300€. Der Reisepass sollte für die Einreise nach Australien natürlich noch gültig sein, idealerweise deutlich über das Auslandssemester hinaus. Da in Australien weitgehend bargeldloses Bezahlen üblich ist, ist es auch ratsam, eine Kreditkarte mitzunehmen. Ich empfehle, eine Master- oder Visa-Karte zu haben, da diese fast überall akzeptiert werden. Mit American Express Karten hatte ich im Alltag manchmal Akzeptanzprobleme und würde diese daher höchstens als Ergänzung für Flüge oder Mietwagen empfehlen. Der Flug sollte erst gebucht werden, wenn das Auslandssemester von der Gastuniversität genehmigt wurde und man sicher ist, dass man es antreten wird. Ich kann sehr empfehlen, die Flugreisen nach Australien und zurück für Zwischenstopps in Südostasien zu nutzen. Dies reduziert den Jetlag, ermöglicht es, faszinierende Länder kennenzulernen, die sonst nicht so leicht erreichbar sind, und in welchem man auch mit einem Studentenbudget gut leben kann. Selber habe ich auf der Hinreise zwei Wochen in Thailand und auf der Rückreise zwei Wochen in Vietnam verbracht. Da regelmäßig viele DHBW-Studenten ihr Auslandssemester in Bangkok verbringen, bietet es sich sehr an, seine Kommilitonen dort zu besuchen.
Studienumfeld
In Melbourne gestaltet sich das Wohnen als Student noch schwieriger als in Stuttgart, da man mit etwa einer halben Million weiterer Studenten um erschwingliche Wohnungen konkurriert. Da es mir wichtig war, in der Nähe des Campus zu wohnen, habe ich mich für ein privates Studentenwohnheim in der Innenstadt entschieden. Dort habe ich mir ein 46 Quadratmeter großes Apartment mit einem Mitbewohner aus Singapur geteilt. Es war eine wirklich interessante und bereichernde Erfahrung, mit jemandem aus einer völlig anderen Kultur zusammenzuleben. Das Studentenwohnheim bietet eine Rezeption, ein Fitnessstudio und einen Waschkeller. Jedoch war der größte Vorteil für mich, dass der City Campus des RMIT nur fünf Gehminuten entfernt war. Ich habe monatlich etwa 1000€ für mein Zimmer bezahlt.
Die Universitätsgebäude des RMIT sind wirklich beeindruckend. Sie sind sehr modern gestaltet, mit großen Fenstern, Sichtbeton und offener Architektur, und laden an vielen Stellen zum Verweilen und Arbeiten ein. Es gibt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, von klassischen Schreibtischen bis hin zu kreativen Sitzecken und Liegestühlen. Darüber hinaus bietet das RMIT ein umfangreiches Angebot an Clubs, die alle Bereiche von Sport über Kultur, Kreativität bis hin zur Politik abdecken. Ich habe mich für den Outdoor-Club (Wandern und Klettern) und den Surf-Club entschieden, hätte aber gerne noch weitere Clubs ausprobiert, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte. Diese Clubs machen es sehr einfach, neue Kontakte zu knüpfen, sowohl mit anderen Austauschstudenten als auch mit Australiern. Regelmäßige Studenten-BBQs und Partys tun dann ihr übriges. Generell habe ich die Menschen in Melbourne als außerordentlich freundlich und aufgeschlossen erlebt. Falls etwas unklar war oder ich Hilfe brauchte, gab es zahlreiche Unterstützungsangebote und hilfsbereite Kommilitonen.
Studium
Das Studium am RMIT unterscheidet sich von der DHBW in Bezug auf den praxisorientierten Ansatz. Obwohl die DHBW ebenfalls betont, praxisnah zu sein, erfolgen Vermitllung und Prüfung von Wissen vergleichsweise theoretisch. Am RMIT wird jedoch nicht nur theoretisch gelernt, sondern das Wissen auch direkt in die Praxis umgesetzt. Anstelle von Klausuren werden die Noten durch Projekten ermittelt. Dies ermöglicht nicht nur die direkte Anwendung des Gelernten, sondern auch eine flexible Verteilung der Arbeitsbelastung über das Semester. Pro Fach gibt es zwei Stunden Unterricht pro Woche, wobei keine Anwesenheitspflicht besteht. Dadurch erfolgt ein Großteil des Lernens eigenverantwortlich, was viel Freizeit ermöglicht. Es ist oft sogar möglich, alle Veranstaltungen auf einen oder zwei Tage in der Woche zu legen.
Die Unterrichtsveranstaltungen selbst sind interaktiv, aber die Teilnahme an Unterrichtsgesprächen ist nicht zwingend erforderlich. Das Niveau der Lehrveranstaltungen ist durchaus schaffbar, jedoch ist zu beachten, dass die Noten der DHBW ungünstig umgerechnet werden. Mit angemessenem Aufwand kann man am RMIT eine "high distinction" (1,0) oder zumindest eine "distinction" (2,0) erreichen. Leider werden die dabei erreichten Prozentsätze und nicht die Noten von der DHBW verwendet, es wird die DHBW-Notenskala auf die Leistungen in Australien angewendet. Aufgrund dieser Umrechnung hat sich mein Durchschnitt im Auslandssemester um etwa eine volle Note verschlechtert.
Ich habe in Melbourne die folgenden Kurse belegt:
Digital Marketing (MKTG1415)
Dieser Kurs behandelt eine Vielzahl von Konzepten. Der Arbeitsaufwand ist aufgrund vieler Aufgaben sehr hoch und die Bewertung nicht besonders großzügig. Dennoch war der Kurs sehr interessant und gipfelte in der Entwicklung und Implementierung eines großen digitalen Marketingprojekts für ein Kleinunternehmen. Ich habe den Online-Auftritt eines Handwerksbetriebs gestaltet und zusätzlich einen eigenen Marketingblog geführt.
Human Resource Management (BUSM 3119)
Dieser Kurs war eher entspannt, mit geringer Arbeitsbelastung, einfachem Niveau und wenig Unterrichtsstoff. Viele Konzepte wurden oberflächlich behandelt. Es war jedoch interessant, dass der Kurs darin gipfelte, als Berater ein umfangreiches Konzept für eine Nichtregierungsorganisation zu entwickeln, das tatsächlich umgesetzt wurde.
Innovation Management (BUSM 4550)
Dieser Kurs war der faszinierendste im Semester. Er behandelt das umfangreiche Thema "Wie entwickelt man planbar gute Ideen und setzt sie in reale Lösungen um?". Als Abschlussarbeit mussten wir ein Produkt oder eine Lösung entwickeln und einen Prototypen erstellen. Unsere Gruppe hat eine Smart Stadium App samt einem Mockup entwickelt.
International Finance (BAFI 1018)
Dieser Kurs war zweifellos der anspruchsvollste in Bezug auf das Niveau. Ein umfangreiches Thema wurde in insgesamt nur 20 Stunden behandelt und mit herausfordernden Aufgaben versehen. Der Hauptteil des Kurses bestand aus einer Trading-Session mit einem Budget von 100.000.000 USD, das innerhalb einer Stunde mittels einer Trading-Software sinnvoll in Fremdwährungen investiert werden sollte. Dieser Kurs beinhaltete eine Menge Stoff, und obwohl ich in dieser kompakten Form nicht in der Lage war, alles zu behalten, war es dennoch eine wertvolle Erfahrung.
Dank der zahlreichen Hilfsangebote des RMIT, wie Rechtsberatung, medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung, fühlte ich mich jederzeit gut betreut. Die Dozenten waren äußerst hilfsbereit.
Studienort
Der öffentliche Nahverkehr in Melbourne ist hervorragend ausgebaut und einfach zu nutzen. Mit der Myki-Card, einer universellen Nahverkehrskarte, kann man alle Verkehrsmittel nutzen. Australien ist ein sehr sicheres Land, und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt bedroht gefühlt. Dennoch sollten bestimmte Aspekte wie die Tierwelt, Waldbrände und Meeresströmungen berücksichtigt werden. Mit gesundem Menschenverstand und der Beachtung von Warnhinweisen sollte es kein Problem sein, das Auslandssemester unbeschadet zu überstehen.
Rund um Melbourne gibt es eine Vielzahl atemberaubender Sehenswürdigkeiten. Die meisten davon befinden sich westlich von Melbourne entlang der Great Ocean Road sowie östlich auf Philipp Island oder im Wilsons Promontory Nationalpark.
Finanzieller Aufwand
Handyverträge sind in Australien deutlich günstiger als in Deutschland. Ich habe 43€ pro Monat für einen Vertrag mit 600 GB Datenvolumen und einer weltweiten Anrufflatrate bezahlt. Leider war dies jedoch der einzige Aspekt, der in Australien günstig war. Als BWL-Student würde ich ein Auslandssemester in Australien insgesamt als "kostenintensiv" bezeichnen. Neben den Studien- und Visumsgebühren in Höhe von etwa 6500€ fallen hohe Kosten für Essen und Unterkunft an. Ich musste ungefähr das Doppelte im Vergleich zu Deutschland ausgeben. Auch die Reisekosten nach und innerhalb Australiens haben erheblich zu Buche geschlagen. Roadtrips entlang der Ostküste und rund um Melbourne kann ich auf jeden Fall empfehlen, aber Unterkunft, Mietwagen und Flüge haben die Gesamtkosten erheblich erhöht. Insgesamt rechne ich mit etwa 15000€ Kosten im Zusammenhang mit dem Auslandssemester. Die Studiengebühren wurden von meinem Partnerunternehmen und meinen Eltern übernommen und die restlichen Kosten konnte ich glücklicherweise durch mein Gehalt decken.
Gesamtbewertung des Aufenthalts
Meine Gesamtbewertung des Aufenthalts fällt insgesamt sehr positiv aus. Wenn ich heute noch einmal ein Auslandssemester in Australien machen würde, würde ich wahrscheinlich eine kleinere Stadt an der Ostküste wählen, die niedrigere Mietkosten, einen größeren Campus und besseres Wetter bietet. Außerdem wäre es hilfreich gewesen, im Voraus über die eigenartige Umrechnung der australischen Noten Bescheid zu wissen, um eine Universität zu finden, die die Noten nicht zusätzlich in Prozent angibt.